Ravensberger Straße 39 | 33824 Werther05203 - 977 89 63

Wettbewerbsrechtliche Gegenabmahnung

Vorsicht bei der Aussprache von Gegenabmahnungen

Sachverhalt:

Im vorliegenden Fall hatte der Importeur eines Elektrogerätes einen deutschen Hersteller eines Mitbewerberproduktes wettbewerbsrechtlich im Wege einer Gegenabmahnung abgemahnt. Die Streitigkeitum die Gegenabmahnung im Wettbewerbsrecht ging bis vor das OLG Hamm.

Nach Auffassung des Importeurs verfügte der deutsche Hersteller im Zeitpunkt der Aussprache der Abmahnung nicht über eine Herstellerregistrierung. Das deutsche Elektrogesetz verlangt eine Herstellerregistrierung vor der ersten Inverkehrbringung eines Produktes bei der zuständigen Behörde ear in Fürth. Zusätzlich habe der deutsche Hersteller gleichwohl das Elektrogerät über die soziale Netzwerke Instagram und Facebook mit einem Verkaufsdatum beworben. Dieses Verhalten sei wettbewerbswidrig.

Negative Feststellungsklage des Abgemahnten

Das abgemahnte Unternehmen wandte sich daraufhin auch in dieser Angelegenheit an Rechtsanwalt Schomaker. Rechtsanwalt Schomaker reichte nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zeitnah eine negative Feststellungsklage beim zuständigen Landgericht Bielefeld ein.

Eine negative Feststellungsklage ist eine durchaus übliche Reaktion auf eine Abmahnung, welche nach Auffassung des Empfängers ungerechtfertigt ist. Eine solche Klage ist auf die gerichtliche Klärung gerichtet, dass der abgemahnte Unterlassungsanspruch nicht besteht.

Bei den geposteten Beiträgen auf Instagram und Facebook handele es sich nicht bereits um ein wettbewerbswidriges „Inverkehrbringen“. Vielmehr wurde in den Beiträgen lediglich detailliert über den Stand der Entwicklung am Beispiel des Prototyps berichtet. Als Verkaufsstart wurde ein bestimmter Monat im Jahr 2021 genannt.

1. Instanz: Landgericht Bielefeld

Das Landgericht Bielefeld (Urteil v. 26.05.2021, 16 O 133/20) folgte der Argumentation von Rechtsanwalt Schomaker und gab der Klage statt. Die Abgemahnte habe das Elektrogerät weder als Herstellerin in Verkehr gebracht, noch als Vertreiberin das Gerät zum Verkauf angeboten.

Das Landgericht stufte die Beiträge zwar als Werbung ein, jedoch fehle es an dem Merkmal der „erstmaligen Bereitstellung auf dem Markt“ seitens des klagenden Herstellers.

Das Landgericht Bielefeld führt dazu aus:

„… Bereitgestellt wird das Elektrogerät, wenn es den Herrschaftsbereich des Herstellers verlassen hat und in denjenigen eines Dritten gelangt oder diesem zugänglich ist. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Besitz an dem Gerät an den Dritten übertragen oder ein Recht zum Besitz begründet wurde. Dabei kann der Dritte ebenso ein Händler oder ein Endbenutzer sein. Jedenfalls ist ab diesem Zeitpunkt das Gerät so in den Rechtsverkehr gelangt, dass es später als Altgerät zur Entsorgung ansteht.

Keine Überlassung liegt damit vor, wenn der Hersteller für sein Produkt in Katalogen oder im Internet wirbt, denn darin ist noch keine konkret abfallwirtschaftlich gefährdende Verhaltensweise zu sehen. …“

Bei Vertreibern von nicht-registrierten Elektrogeräten sei ein „Anbieten“ nicht immer zu bejahen. Als Voraussetzung müsse eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (zivilrechtlich: „invitatio ad offerendum“) erfolgen. In den Beiträgen sei trotz Werbecharakters jedoch kein Angebot zum Verkauf oder die Aufforderung, ein Kaufangebot abzugeben, zu sehen.

Die Abmahnende legte daraufhin gegen ihre Verurteilung beim OLG Hamm Berufung ein.

2. Instanz: Oberlandesgericht Hamm

Die Abgemahnte verlor auch vor dem OLG Hamm (Beschluss v. 27.01.2022, I-4 U 72/21).

Das OLG Hamm bestätigte die Rechtsauffassung des Landgerichts Bielefeld in Bezug auf die „erstmalige Bereitstellung auf dem Markt“.

Das Oberlandesgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil auch darin, dass ein „Anbieten“ ohne Registrierung wettbewerbswidrig sei. Die Bewerbung des Elektrogerätes auf Instagram und Facebook wäre weder zum Zwecke des Verkaufs ausgestellt, noch präsentiert worden. Es fehle demnach am Tatbestandsmerkmal des „Anbietens“.

Das OLG Hamm führt dazu aus:

„… Dies gilt nicht nur deshalb, weil nicht einmal der mögliche Verkaufspreis überhaupt genannt oder auch nur eingegrenzt wird. Insgesamt wird deutlich, dass ein Verkauf zeitnah beabsichtigt ist, aber noch nicht möglich ist.“

Die Abwehr der unberechtigten Gegenabmahnung im Wettbewerbsrecht vor dem OLG Hammwar erfolgreich.

Fazit von Rechtsanwalt Schomaker:

  1. Im Bereich Elektrogesetz: Aufgrund der jüngsten Gesetzeskonkretisierungen des ElektroG sind Wettbewerbsverstöße nun differenzierter und ggf. anders zu betrachten. Das Gesetz gibt den Gerichten jetzt mehr Anhaltspunkte und Vorgaben zur Einordnung eines Sachverhalts und der daraus resultierenden Rechtsfolgen. Das gibt mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Hierdurch wird natürlich auch die ältere Rechtsprechung zur vorherigen Rechtslage überholt.
  2. Im Bereich wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen: Das Aussprechen einer Gegenabmahnung als Konter gegen eine berechtigte Abmahnung, kann schnell nach hinten losgehen. Grundsätzlich kann eine Gegenabmahnung als vermeintlich „gutes“ Verteidigungswerkzeug z. B. Abmahnkosten zum Aufrechnen generieren. Berücksichtigt der Abmahner aber die aktuelle Gesetzeslage nicht, so kann es für ihn sehr teuer werden.
  3. Im Bereich der Rechtsanwaltswahl: Sinnvoll erscheint es im Vorfeld zu überprüfen, ob der auserkoren Anwalt auch der richtige Anwalt für das betroffene Rechtsgebiet ist. Das gilt sowohl für die Aussprache eine Abmahnung, wie auch Verteidigung gegen eine Abmahnung.

Sie können diesen Beitrag auch als PDF vollständig und unkompliziert hier herunterladen.